Interventionen gegen Antisemitismus
Wissenschaftsforum Ruhr-Veranstaltung am Mittwoch, am 02. 03. 2022 von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr
Man kann etwas tun!
Antisemitismusforschung und Interventionsmöglichkeiten
Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte
Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Fraunhofer UMSICHT und Wissenschaftsforum Ruhr
Der Topos der ‚jüdischen Weltverschwörung‘ im Zusammenhang mit der Coronapandemie sowie die Opferstilisierung der Impf- und Restriktionsgegner mit ‚Ungeimpft-Stern‘ und Bezug auf Anne Frank sind aktuelle Ausprägungen des Antisemitismus und einer verharmlosenden Geschichtsvergessenheit. Die Antisemitismusforschung befasst sich mit den Ursachen und den Strategien der Abwehr von antisemitischen Ausfällen – so auch die vom Steinheim-Institut, Essen, und dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) im Verbund durchgeführten Teilprojekte im Rahmen der Förderrichtlinie Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus des BMBF.
Das Binnenprojekt ‚Judentum‘ in der deutschen Alltagspresse des DISS ist diskursanalytisch orientiert: Gewaltakte unterschiedlicher Ausprägungen des Antisemitismus haben in den vergangenen Jahren ein Bedrohungspotenzial geschaffen, das Menschen jüdischen Glaubens zur präventiven Selbstbeschränkung in ihrer Lebensführung geführt hat. Zudem kommen aus der Mehrheitsgesellschaft Signale des Unverständnisses und der offenen Ablehnung (‚othering‘) gegen die jüdische Ritualpraxis. Menschen jüdischen Glaubens fühlen sich oft dadurch veranlasst, sich in ihrer Glaubenspraxis unsichtbar zu machen. Daher führt das DISS im Rahmen des Gesamtprojekts eine diskursanalytische Medienanalyse zur Thematisierung des Judentums in deutschen Alltagsmedien durch. Ziel ist es, jene Strukturelemente im Diskurs zu ermitteln, die nach wie vor für das ‚othering‘ verantwortlich sind, obwohl sich der politische und mediale Diskurs in großer Breite dem ‚Kampf gegen den Antisemitismus‘ verschrieben hat. Die Präsentation des DISS führt in diese Konfliktfelder und Fragestellungen ein und stellt erste Ergebnisse der aktuellen Diskursanalyse vor.
Das vom Steinheim-Institut in einer Präsentation vorgestellte Projekt Net Olam ist praxisorientiert mit präventiver Zielrichtung. Vielerorts ist der Friedhof die einzig noch sichtbare Erinnerung an eine ehemals auch jüdische Geschichte. Annähernd 2.400 jüdische Friedhöfe in Deutschland bilden ein einzigartiges kulturelles und religiöses Erbe. Die Friedhöfe sind jährlich Dutzenden Angriffen ausgesetzt – Schäden sind nicht selten irreparabel, die Dunkelziffer der Schändungen ist unklar. Das Steinheim-Institut erforscht interdisziplinär mit Kooperationspartnern die Hintergründe, das tatsächliche Ausmaß, die Art der Schäden und die Folgen dieser oft unbeachtet bleibenden Ausprägung des Antisemitismus. Dabei kommen auch Methoden der Digital Humanities zum Einsatz. Praxisorientiert wird ein deutschlandweites Netzwerk unter Mitwirkung von Initiativen, Expertinnen/Experten und ‚Kümmerern‘ vor Ort (Citizen Science) geknüpft. Es geht darum, gegen den Antisemitismus zu sensibilisieren und die Achtsamkeit für die jüdische Überlieferung und Sepulkralkultur weiter zu stärken.
Nach den Vorträgen von Dr. Jobst Paul (DISS), Dr. Cordula Lissner und Harald Lordick (Steinheim-Institut) wird der Moderator Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg (Fraunhofer UMSICHT, Wissenschaftsforum Ruhr) die Diskussion zum Thema eröffnen.
Die Veranstaltung wird aus dem AV-Studio des Fraunhofer UMSICHT live übertragen.
>> Steinheim-Institut: Projekt Net Olam
>> Bundesministerium für Bildung und Forschung: Förderung von Vorhaben der Antisemitismusforschung